Station 6. - Interaktiver Dorfspaziergang
Schilpenburg
Wichtiger Hinweis: Du stehst an einer Bank – dieser Geopunkt bzw. das Schild zum Dorfspaziergang befindet sich bewusst am Weg. Der damalige Standort der Schilpenburg war etwas weiter im Wald: https://maps.app.goo.gl/wVEKY7mBn3ncoMcV8
Von der „Schilpenburg“ ist heute nichts mehr zu sehen. Die Schilpenburg ist Teil einer Legende, die sich hier ereignet haben soll. Nach einem Streit zwischen sechs Brüdern kamen fünf Brüder ums Leben. Die Legende besagt, dass man die fünf getöteten Brüder bei Gewitternächten hier sehen kann. Sie stehen mit Speeren vor der Burg (Schilpenburg).
Wenig Zeit?
Hier der Geopunkt zur nächsten Station Waldfriedenshäuschen
Geodaten: 50°46’20.9″N 8°15’15.6″E
Über die Sage von der Schilpenburg:
Auf einem Berg bei Manderbach soll einmal die „Schilpenburg“ gestanden haben. Sechs Brüder, allesamt hartherzige Ritter, hatten sie erbaut. Den fünf ältesten Rittern hatten die Hunnen die Frauen geraubt, während sie alle sechs selbst auf einem längeren Raubzug waren.
Alle sechs schwuren daraufhin, nie mehr zu heiraten.
Der jüngste Bruder aber befreite einmal ein Mädchen aus der Gewalt eines wilden Bären und begehrte, sie zur Frau zu nehmen. Deswegen töteten ihn seine Brüder, die sich kurz darauf in einem heftigen Streit gegenseitig umbrachten. Bis auf den ältesten, der seine Brüder in der Schmandwiese begrub und dann fortzog.
In Gewitternächten will man die fünf Getöteten gesehen haben, wie sie mit aufgerichteten Speeren vor der Burg standen.
(Text: Wolfgang Krause)
Johannes Neef hat auf seinem YouTube Kanal die Schilpenburg und die damit verbundene Geschichte erläutert:
Die „Schilpenburg“ in Sage und Volksglaube:
Gesammelt und ergänzt von Paul Weiershausen, Manderbach Quelle: Heimatblätter (Dill-Zeitung), 1928.
Einleitung
„Von der Schilpe“ hieß das Geschlecht, das sich gegen Ende der Völkerwanderung in der Nähe von Obermanderbach ansässig machte und die “ Schilpenburg “ erbaute.
Sechs Brüder waren es. Ihre Züge legten Zeugnis davon ab, dass ihr Herz hart und unerweichlich war wie die Steine, aus denen sie ihre “ Feste “ gefügt hatten. Der Sänger klopfte vergeblich ans Tor, und kein freundlich Frauengesicht saß am Spinnrad. Keine Blume erblühte im Burghof, kein grüner Zweig rankte sich um die Fenster. Morgens und abends nur führten die Knechte die Pferde zur Tränke an den Hengsbach, dann wurde die Stille und Starre der Burg gestört, doch wenn sich die Tore wieder schlossen, dann war alles wieder wie zuvor.
Auf den katalaunischen Feldern gestanden
Auf den katalaunischen Feldern hatten die Schilpen gestanden, hatten Attila mit niederringen helfen. Dort sollen die fünf ältesten Brüder wie Rasende gewütet haben, denn die Hunnen hatten ihnen die Frauen geraubt.
Mit einem wilden Feuer in den Augen und bitterem Leid in der Brust kehrten sie zurück. Sie waren hart geworden und beschlossen, nur mit dem Schwerte noch Kameradschaft zu pflegen.
Der Jüngste von ihnen, den sie Trin nannten, nahm Anteil an dem Leid der Brüder. Mit seinen Brüdern begrub er sein Saitenspiel unter einer Eiche im Hengsbach. Als die letzte Erde dem Grab zurückgegeben war, trat Talino, der Älteste von ihnen vor, hob den Schild zum Himmel empor, an dem die Nachtwolken finster und gespensterhaft hinjagten – und alle fünf hoben die Schilder stumm und geheimnisvoll. Der Nachtwind rauschte in der Eiche, die Rufe des Uhu irrten schauerlich im Walde umher. Da sprach Talino : “ Bei Donars bleichen Blitzen: Friede und Freude sei ferne uns, und die Liebe im Leben, die Lichte ! „
Aus aller Munde klang es noch einmal wie Gewittergrollen : “ Und die Liebe im Leben, die Lichte ! „
Das Echo klang vom Desberg zurück. Der Wind hatte sein Rauschen eingestellt, der Uhu war still. Noch eine Weile standen sie unter der Eiche, hefteten mit ihren blauen Augen Wunsch und Sehnsucht an die Wolken, die nach dem Osten zogen. Dann sanken die Schilder zur Erde, dumpf und bitter.
Nur an einem Tag im Jahr sollte ihnen das Erinnern an das Vergangene teuer sein, das sollte der Sonnenwendtag sein. Wenn der Frühling seine ersten weissen Wölklein über die deutsche Gaue wehte, wenn der Wald seine Wipfel zum Frühlingsgruß über die Burg wiegte, dann sollte der Gedenktag für ihr Verlorenes sein, – so sprach man und so schwor man.
Grausamer und blutgieriger Sinn
Dann stieg es von der Erde, auf der sie standen, in ihre Glieder, finster, schwarz wie Hass und Blutgier. Die Wildheit des Bodens, der sie geboren hatte, erfasste ihr Herz, und der hohe Eichenbaum gab ihnen Stärke aus seinem Geäst. Ihre Gesichter waren schrecklich geworden in jener Stunde und ihr Sinn grausamer und blutgieriger als zuvor.
Als sie wieder zurück durch den Wald schritten, waren ihre Schatten verschwunden.
Die Entstehung des Johannisteichs
Unweit der Burg gruben sie ein großes Becken aus und leiteten das Wasser einer Quelle, die unter der Burg entsprang, hinein. So schufen sie den Johannisteich. Kein Vieh sollte darin getränkt und kein Lebewesen darin geduldet werden. Nur einmal im Jahre, zum Frühlingssonnenwendtag, wollten sie im Johannisteich ein Bad nehmen.
Eine Zauberin von fernher musste dem Wasser die Kraft zusprechen, dass es für einen Tag die Wildheit ihrer Herzen lösen könnte – nur für einen Tag, für den Frühlingssonnenwendtag, den Tag der Erinnerung des Friedens, des Glückes.
So geschah es auch. – Die Schilpen wurden wilde Raubritter, die das Land bis nach Waldeck, bis tief ins Sauerland unsicher machten. Die Höfe plünderten sie, erschlugen die Männer und hängten die Frauen und Kinder in Eichen auf, um sie als Zielscheibe für ihre Speere zu benutzen. Die bebauten Felder ließen sie von ihren Pferden zertreten und schlossen oft die Hofbewohner in einem Raum, um alle bei lebendigem Leibe verbrennen zu lassen. Einmal sollten sie sogar einen Bauern von Eibelshausen an den Schwanz eines ihrer Pferde gebunden haben, um so mit ihm im Galopp querfeldein zu reiten.
So verübten sie viele Grausamkeiten. Kam aber der Frühlingssonnwendtag, dann waren sie um einen steinernen Tisch und stützten den Kopf in die Hände. Die Härte und Grausamkeit war aus ihren Gesichtern verschwunden. Die Fenster waren weit geöffnet, und der Wind trug den Frühling in die finstere, stille Burg. Manche Träne zerfloss im Ritterbart, und mancher Seufzer eilte mit den Winden fort.
Um Mitternacht standen sie auf, um sich zum Schlafe zu legen. Am anderen Morgen war die Kraft des Johannisteichwassers erloschen, und die Schilpen waren wieder grausam wie zuvor.
Einst zogen sie wieder einmal zu einem Raubzug aus. Als sie in der Nähe von Mandeln kamen, hörte Trin der am Schlusse des Zuges ritt, ein klägliches Jammern und Schreien hinter sich im Walde. Er wandte sein Pferd und ritt der Stelle zu. Bald kam er auf eine Waldwiese. Am Rande des Waldes stand eine dicke Eiche. Hinter ihr kam das angebliche Schreien hervor.
Es war gewiss ein Mensch, doch konnte Trin noch nichts erblicken. Da trottete plötzlich ein mächtiger Bär ein Stück über die Wiese auf die Eiche zu. Sein Brummen und Knurren mischte sich in das Jammern des noch immer verborgenen Menschen.
Und jetzt, als das Tier sich zur Seite wandte, gewahrte es Trin, der ganz nahe herangekommen war, dass Tier stutzte. In demselben Augenblick versuchte ein junges Mädchen von der Eiche weg in den Wald zu entkommen. Als es seinen Fuß auf die Wiese setzte, sah es Trin, der hoch zu Ross auf die Waldwiese hielt.
Er glich jenem Raubtier, warum sollte er es von seinem Opfer wehren ? Er war ja Raubritter !
Das bittende Blau der Augen
Doch die Blutgier des Raubtieres, die in seinen Augen glühte, verschwand langsam, als das Mädchen mit einem Male vor den Hufen seines Pferdes kniete, als zwei Augensterne sich auf ihn hefteten, so blau, wie der Himmel nur sein konnte am Frühlingssonnenwendtag. Anfangs wollte er sich abwenden, er gedachte des Spruches jener Nacht.
Als aber sein Pferd an dem Köpchen, von dem es wie Gold herabrollte, schnupperte, und das bittende Blau der Augen zu ihm heraufzitterte, wie der Johannisteich zum Frühlingshimmel blickt, da griff eine Hand nach seinem Herzen, warm und weich, und sie schmolz von ihm ab die Härte der Tage, der Monate und Jahre. Ihm war, als sei Wasser vom Johannisteich über ihn gekommen. Seine Stimme war weich als er fragte : “ Wer bist Du, Jungfrau ? „
Statt einer Antwort vernahm er erneut ein Brummen und Knurren. Das Mädchen schrie auf, und Trin gewahrte den Bär dicht vor sich. Mit eingelegtem Speer sprengte er auf das Tier zu und verjagte es. – Langsam trabte Trin zurück. Das Mädchen kniete noch auf derselben Stelle. Als er herankam, stand es auf, vornehm und schön. Trin war es, als höre er die Stimme einer Waldjungfrau, als sie sprach : “ Ich danke Euch, edler Ritter, dass ihr mich gerettet habt. Ich bin Frija von Hilgeshausen. Kommt mit zu meinem Vater, er wird Euch großen Dank wissen ! „
Trin sah hinauf zu den Wolken, die langsam am Horizont verschwanden.
Die Wälder rauschten ein Sehnen in sein Raubritterherz, nach etwas, das er früher einmal besessen, das er aber zu Grabe getragen hatte mit seinen Brüdern. Die Tannen am “ Gebrannten Kopf “ standen wie stumme Riesen. Ein Heimweh überkam Trin, er meinte, seine Heimat müsse irgendwo im Blauen sein.
Da wandte er sich zu Frija, reichte ihr die Hand und sprach : “ Der edle Ritter begehrt nicht Dank. Doch jetzt bitte ich Euch, geht, denn ich höre meine Brüder kommen. Morgen bei Sonnenuntergang bin ich an den zwei Hainbuchen. „
Frija nickte und verschwand wie ein Reh im Walde. Die Brüder Trins sprengten auf die Wiese. Zu lange war er weggeblieben. Doch als sie ihn fragten, warum er sich entfernt habe, gab er ihnen keine Antwort, sondern war still und traurig. Abends beschlossen sie, Trin zu beobachten, ob sie vielleicht eine Lösung des Rätsels fänden. Als dieser sich tags darauf entfernte, ritten sie ihm nach. Er ritt nach Hilgeshausen. Frija erwartete ihn unter den zwei Hainbuchen, wie sie verabredet hatten. Talino traute seinen Augen nicht, als er Trin den Schwur in so leichtfertiger Weise brechen sah, er schäumte vor Zorn. Alle fünf Brüder beschlossen, den Meineidigen mit dem Tode zu bestrafen.
Dieser war inzwischen von seinem Pferde gestiegen, Frija hatte ihr Köpfchen an seine Brust gelegt. Wieder jagten finstere Wolken am Himmel hin, wieder rauschte der Wind so geheimnisvoll. Da guckte Talino mit seinen vier Brüdern hinter den dicken Eichenstämmen hervor, hinter denen sie sich verborgen hatten. Sie sahen gerade, wie Trin mit seinen Lippen das Haar Frijas berührte und wussten, in dieser Stunde verlor Trin sein Raubritterherz ganz und ein anders wurde in ihm lebendig, das nämlich, von dem sie glaubten, dass es längst tot sei.
Den höchsten Gott verhöhnt
Da trat wiederum Talino vor. Zornesblicke schossen aus seinen Augen, in der Rechten hielt er den bloßen Speer, seine Lippen bebten, als er sprach : “ Du hast Deinen Schwur gebrochen, Trin, Du hast unseren höchsten Gott verhöhnt. Unser Bruder sollst Du nicht mehr sein und den Namen unseres Geschlechtes nicht mehr tragen! “ Seine Stimme klang wie ein Gewittersturm, der in die hohen Eichenbäume fährt.
Trin stand das mit gesenktem Haupt, er fühlte seine Schuld. Frija schmiegte sich an ihn. Eine Sekunde war Stille, dann fuhr Talino fort : “ Deine Ritterehre hast Du verloren, Du Abtrünniger, stirb ! „
Hoch hob er seinen blanken Speer, begrub die Spitze in der Brust seines Bruders. Mit einem Aufstöhnen sank Trin zu Boden. Ein Schrei durchzitterte die Luft. Frija, als aber die Schilpen sich nach ihr umwandten, war sie verschwunden.
Der Johannisteich ist seit jener Zeit nicht mehr gesehen worden.
Die Schilpen stellten sich aus Gram und Verzweiflung da, wo der Johannisweiher gewesen war, zum Zweikampf. Alle fielen, außer Talino. Er begrub die Brüder auf der “ Schmantwiese“ und zog fort. Die Burg wurde von Bauern zerstört ……
Die einst gefürchtete, geheimnisvolle Burg ist verfallen, und scheu geht der, der sich verspätete, dort vorbei, denn in Gewitternächten stehen die fünf Schilpen vor der Burg um ihren Bruder Trin. Der Speerschaft steht hoch in der Brust und Blut fließt aus der Wunde.
So stehen sie schweigsam die lange Nacht.
Das Rauschen der Baumwipfel nur geht noch darüber, und das scheue Reh flüchtet vorüber, das Morgengrauen aber nimmt alles ins Grab.
So spricht die Sage. Dann faltet sie ihr weites Gewand wieder zusammen und geht zurück in die tiefen Wälder, aus denen sie kam ….
Weiter geht's!
Hier der Geopunkt zur nächsten Station Waldfriedenshäuschen
Geodaten: 50°46’20.9″N 8°15’15.6″E